

„Die Politik muss endlich lernen, uns zu verstehen“
Der Personalmangel in Hotellerie und Tourismus wird durch Lockangebote aus Deutschland weiter verschärft - die Lohnnebenkosten in Österreich sind weiter viel zu hoch. Spartenobmann Markus Kegele plädiert für eine rasche Änderung der Rahmenbedingungen.
Kegele: „Mitarbeiter der Branche sind unsicher geworden, weil sie nicht mehr beschäftigt werden konnten und die Aussichten ebenso ungewiss waren. Das AMS hat darum Umschulungen angeboten, die viele genutzt haben. Nun fehlen uns insgesamt circa 60.000 Branchenmitarbeiter in ganz Österreich.“
Der Tourismus hat jedoch übers Jahr betrachtet im Vergleich kein größeres Mitarbeiter- und Fachkräfteproblem wie Gewerbe und Handwerk oder Handel und Industrie auch. „Der Tourismus hat nur eine große Besonderheit, die ihn von allen anderen Branchen unterscheidet: Er hat Saisonen. Und die sind noch dazu unterschiedlich stark“, erklärt Markus Kegele Obmann der Sparte Tourismus.
Große Leistungen der Arbeitgeber
Den immer wiederkehrenden Vorwurf, wonach schlechtere Arbeitsbedingungen herrschen, kann der Spartenobmann so nicht stehen lassen: „Der Großteil der Betriebe zahlt Löhne weit über dem Kollektivvertrag. Für alle anderen gilt das Mindestgehalt. Hinzu kommen jedoch standardmäßig Boni, Überstundenpauschale, Kost und Logis - also Vollpension und Übernachtung - sowie Vorteile bei Freizeitaktivitäten. Außerdem wird sehr vielen Mitarbeitern eine Wohnqualität auf dem Niveau der Gäste geboten.“
In den vergangenen zehn Jahren konnte die Mitarbeiterzahl zwar um 25 Prozent gesteigert werden, im Winter benötigen Vorarlbergs Tourismusbetriebe jedoch knapp 3.000 Mitarbeiter mehr als im Sommer. „Diese Mitarbeitende müssen jedes Jahr auf den internationalen Arbeitsmärkten gesucht und rekrutiert werden. Dabei herrscht großer Wettbewerb mit allen anderen Winterdestinationen des Alpenraums. Unsere Branche ist in den vergangenen Jahrzehnten weltweit gewachsen, dieses Wachstum hat die Ausbildungskapazitäten allerdings deutlich überstiegen“, sagt Kegele.
Die immer wieder angesprochene hohe Fluktuation in der Branche sei einfach zu erklären: „Zum einen locken derzeit andere Länder wie das weniger restriktive Deutschland Tourismusmitarbeiter:innen mit Arbeitsangeboten in allen möglichen Bereichen, zum anderen arbeiten wir in saisonstarken Zeiten, in erster Linie in Ferienzeiten. Eine Industrie läuft ganzjährig. Zudem haben wir es mit Menschen und nicht Maschinen zu tun und darum unterliegen unsere Arbeitszeiten und Intensitäten auch Schwankungen.“
Veraltete Rahmenbedingungen anpassen
Die Politik müsse die spezielle Situation in der Branche endlich verstehen und die über Jahre unveränderten Rahmenbedingungen anpassen.
Kegele plädiert dafür den Arbeitsmarkt für Drittstaaten zu öffnen und zieht einen Vergleich mit Deutschland: Durch eine offenere Politik hat das westliche Nachbarland einen deutlichen Wettbewerbsvorteil. „Wir brauchen daher langfristig neue praktikable Saisonbeschäftigungsmodelle, die auch Mitarbeiter aus Drittstaaten wieder verstärkt mit einbeziehen und die den Betrieben Rechtssicherheit und Planbarkeit geben.“ Mitarbeiter:innen, die über mehrere Saisonen immer wieder kommen, müsse man aus den starren Saisonkontingenten herausnehmen.
Es brauche aus Sicht von Spartenobmann Markus Kegele neue Quereinsteigermodelle, beispielsweise für Semifachkräfte. „Aber einfach neue Mitarbeiter aus dem Arbeitslosentopf zu rekrutieren, klingt nur auf dem Papier gut. Wer bisher nicht mit Begeisterung und aus Überzeugung im Tourismus gelandet ist, wird das auch künftig nicht. Wir sind eine Dienstleitungsbranche, die auf motivierte und qualitätsorientierte Mitarbeiter:innen baut, die mit Gästen umgehen können“, betont der Spartenobmann. Der Aufwand, neue Mitarbeiter einzuschulen sei, auf allen Ebenen, ein extrem hoher.
Darüber hinaus sollte auch über kreativere Entlohnungssysteme und Arbeitszeitmodelle nachgedacht werden. Kegele dazu: „Eine der Möglichkeiten wäre zum Beispiel, dass beliebtere Stunden anders bezahlt werden als weniger beliebte. Oder dass Wochenend- und Feiertagsstunden endlich steuerfrei werden. Mitarbeiter:innen, die in dieser Zeit arbeiten, sollten belohnt und nicht bestraft werden.“
Und ganz generell muss das Lohnnebenkosten angegangen werden: Die Spanne zwischen Nettoverdienst und dem, was der Arbeitgeber zahlt, ist viel zu hoch. Es müsse an vielen Schrauben gedreht werden. Mehr Netto vom Brutto müsse die Devise sein. Dabei seien sowohl die Branche als auch die Politik gefordert. Jedenfalls dürfe es kein Jahr mehr ohne Sommer- oder Wintersaison mehr geben.