© Atrium SXB Berlin

Der Strukturwandel ist eine Chance...

Harald Professner über einen notwendigen Strukturwandel in der Baubranche und die Chancen die sich daraus für eine ganze Branche ergeben.

Herr Professner: Wie sehen Sie die allgemeine Gemengelage derzeit in der Baubranche?  
Die Baubranche war in den vergangenen Jahren komplett überhitzt. Fakt ist, dass sich die Baukostenspirale permanent nach oben geschraubt hat und die Themen Nachhaltigkeit, Rückbaubarkeit, Digitalisierung, aber auch die Wiederverwendung der Materialien nie ernsthaft thematisiert wurden. Wissentlich, dass die Baubranche für 40 Prozent der weltweiten Ressourcen, 60 Prozent der weltweiten Transporte und 35 bis 40 Prozent des weltweiten CO2-Ausstoßes verantwortlich ist. Aktuell ist der Bauprozess zu fragmentiert, altmodisch und mit zu vielen Akteur:innen besetzt. Die Baubranche gerät durch Klimaziele, Fachkräftemangel, sinkende Produktivität, steigende Rohstoff- und Energiepreise, zunehmend unter Druck.

Das klingt nach großen Veränderungen...
Das Bauen, so wie wir es heute kennen, wird sich in den kommenden Jahren grundlegend verändern. Das betrifft nicht nur die Baufirmen und Handwerker:innen selbst, sondern vor allem den damit verbundenen Bauprozess. Das heißt auch die Rollen der handelnden Akteure werden sich grundlegend verändern. Es sind die vielen Schnittstellen, Abhängigkeiten, fehlende Materiallieferungen sowie der mögliche Verzug von Gewerken im sequenziellen Bauprozess.

Was bedeutet das konkret?
Um eine Industrialisierung und die damit verbundene hohe Vorfertigung zu ermöglichen, müssen wir uns von der baubegleitenden Planung und sequenziellen Bauausführung lösen. Aktuell planen Architekt:innen und Fachplaner:innen bis zur Baueingabe, gegebenenfalls bis zur Detailplanung. Diese Planung ist für die ausführenden Handwerker:innen, wie beispielsweise Holzbauer jedoch obsolet, da diese daraus weder eine Stückliste noch eine Materialbestellung auslösen, geschweige denn ihre Maschinen ansteuern können. Die Holzbauer erstellen daher eine neue Fertigungsplanung für ihr Gewerk. Diese Schnittstelle kostet nicht nur Zeit und Geld, sondern vor allem Ressourcen.
Die Bauzulieferindustrie hat sich bis dato primär darauf fokussiert, dass die Werkleistungen vor Ort an der Baustelle erbracht werden. Digitale Gebäudemodelle, ohne baubegleitender Planung, werden dazu führen, dass Hersteller Halb- und Fertigprodukte anbieten werden, welche vor Ort nur mehr montiert werden müssen. Das wird anfangs den Hochbau, die Fassade und die Haustechnik betreffen, aber letztlich kommt es zu einer kompletten Verlagerung von der Baustelle in die Vorfertigung.

Werden alternative Bauformen bei Rhomberg realisiert?
Den steigenden Materialkosten und Verfügbarkeiten der Fachkräfte geschuldet, haben wir uns vor etwa drei Jahren in der Unternehmensgruppe Rhomberg darüber Gedanken gemacht, wie wir das Thema Holzbau in der Gruppe sowohl regional  als auch überregional skalieren können. Daraus haben wir das Produkt „Zero“ entwickelt. Dabei handelt es sich im Wesentlichen um eine Holzskelettbauweise mit vorgefertigten Decken- und Wandelementen. Die Idee dahinter ist, dass wir die gesamte Werkstattplanung (CAD/CAM) selbst durchführen, die Komponenten fertig kommissioniert bei den Herstellern zukaufen und diese von einem oder mehreren regionalen Betrieben gleichzeitig in deren Fertigungshallen zu Bauteilen zusammenbauen und in Folge auf der Baustelle montieren lassen. Damit können wir die Situation des Handwerks deutlich entschärfen, reduzieren Abfall, Transportwege, Steh- und Rüstzeiten, Ausfallrisiken und sind gleichzeitig in der Lage mehr CO2 neutrale Gebäude zu errichten.

Harald Professner ist seit 2009 in der Rhomberg Gruppe für den Bereich „Geschäftsentwicklung“ verantwortlich.



Reduzieren alternative Baumaterialien wie Holz oder Lehm die Baukosten?

Aus meiner Sicht ist das Thema sehr diametral zu sehen. Nachwachsende und natürliche Baumaterialien werden jedenfalls an Bedeutung gewinnen. Auch schnellwachsende Gräser, wie Bambus, oder Pilzwerkstoffe, wie Pilzmyzel, werden zur Anwendung kommen. Hier gilt es aber entsprechende industrielle Verarbeitungen miteinzubeziehen, um sowohl die Verfügbarkeit als auch Wirtschaftlichkeit zu gewährleisten. Man muss sich bei diesen Materialen immer vor Augen halten, dass der Holzbau an sich, im Vergleich zu massiven Gebäuden, noch sehr komplex ist und ein entsprechendes Wissen aller Akteure voraussetzt. Wie schnell es alternative Baumaterialien von der Nische zum Serienprodukt schaffen, hängt sehr stark vom Wissenstransfer ab.

Gibt es ein gelungenes Beispiel für ein Holzbauprojekt das die Rhomberg Gruppe realisieren konnte?
Da gibt es ein paar: Der LCT One in Dornbirn als erstes acht-geschossiges Holz-Beton Hybridgebäude, das Illwerke-Zentrum-Montafon mit 10.000 m2 und das SXB- Gebäude in Berlin mit 35.000 m2 sind international bekannt und mehrfach ausgezeichnet worden. Die Vorteile für Projekte in Vorarlberg,  wie das Bärenhaus in Feldkirch, das insbesondere ein Paradebeispiel für die beengten Platzverhältnisse einer Baustelleneinrichtung ist, die keine Möglichkeit von Straßensperren, Stichwort Bärenkreuzung bieten, sind vor allem eine deutliche Reduktion der Bauzeit. Durch die parallele Fertigung der Wand- und Deckenelemente waren wir imstande täglich ein komplettes Geschoss, bestehend aus Tragsystem, Decken und schlagregendichter Außenwand zu montieren. Das wirkt sich nicht nur in der Kalkulation des Bauherrn positiv aus, sondern hilft uns auch das Bauen zu digitalisieren und zu industrialisieren. Parallel dazu entwickeln wir  den „Bauprozess“ auf Basis der „Planen-Umsetzen-Prüfen-Handeln“ - Methode – die übrigens in der Industrie schon seit vielen Jahren zum Einsatz kommt – sukzessive weiter.

In der Baubranche fehlen viele Fachkräfte. Wie gehen Sie bei Rhomberg Bau damit um?

Wir haben aktuell sehr viele Lehrlinge im Holzbau, das darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir im Bau zunehmend weniger Fachkräfte haben werden. Gerade mit der anstehenden Pensionierungswelle geht viel wertvolle Erfahrung verloren.
Das Unternehmen Rhomberg entwickelt sich zunehmend zu einem Technologie-Unternehmen; Themen, wie Künstliche Intelligenz, Virtual Design and Construction, Big Data, Simulation Engineering, aber auch Produktentwicklung und Industrialisierung sind in der Baubranche mittlerweile angekommen. Das Teilen von Wissen und deren Verknüpfung wird zukünftig über den Erfolg oder Misserfolg von Unternehmen entscheiden. Dementsprechend verfügen wir über Spezialist:innen im Bereich Data Science, Softwareprogrammierung, Logistik und so weiter, die man bei einer Baufirma nicht vermuten würde.
Den Fachkräftemangel werden wir nicht aufhalten können, umso mehr setzen wir den Fokus darauf, unsere Mitarbeiter:innen bestmöglich einzusetzen – das heißt Automatisierung und Industrialisierung  weiter auszubauen und Arbeitsplätze zu schaffen, die neue Arbeitszeitmodelle ermöglichen. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass das Bauen von Prototypen-Gebäuden, so wie es aktuell nahezu jedes Gebäude darstellt, zunehmend seltener – zumindest im Bereich von Wohn- und Bürogebäuden – zur Ausführung kommen wird.

Was sind die Bautrends der Zukunft?
Aktuell erleben wir eine unglaubliche Nachfrage im Bereich der industriellen thermischen Sanierung. Unser Tochterunternehmen „Renowate“ hat sich zum Beispiel darauf spezialisiert, Bestandsgebäude mittels einerDrohnenaufnahme zu scannen, daraus automatisiert die Fertigungspläne zu erstellen, im Anschluss passgenaue Außenwände- und Dachelemente inklusive Fenster, Fassade, Haustechnik, etc. herstellen zu lassen und diese an die Bestandsgebäude zu montieren. Eine Geschäftsidee, die aufgrund des Ausstiegs aus den fossilen Brennstoffen unglaublich an Bedeutung gewonnen hat. Auch die Themen Nachverdichtung, Carports mit PV-Anlagen, PV-Fassaden, vorgefertigte Raumzellen wie das Produkt „myblock“, das aus Nasszellen, Wohnungstechnik und Küchenzeile besteht, gewinnen zunehmend an Bedeutung.
Aber vor allem wird das Vernetzen und der Wissensaustausch von Unternehmen ein zentrales Zukunftsthema. Das Produkt „Zero“ zielt beispielsweise genau darauf ab, die Potenziale der Handwerker:innen zu heben. Ich gehe momentan davon aus, dass durch innovative Betriebe eine Industrialisierung im Bau stattfindet, wodurch sich der Bauprozess und die damit verbundenen Rollen – sowohl in der Planung als auch der Ausführung – komplett neu definieren werden. 

Vielen Dank für das Gespräch!
Interview: Eva Niedermair

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